skew view

a skew view at the daily wtf.

Ich weiss nicht, warum ich echt die ganzen seit Tagen liegen gebliebenen Nachrichten durchwühle, ich rege mich sowieso nur auf. Ein aktuelles Thema: Der geplante Gig des jamaicanischen Dancehall-Künstlers Mavado (der in der Vergangenheit mehrmals massiv durch homosexuellenfeindliche Texte wie "Battyboy must die, yeahyeahyeah, lesbian must die, yeahyeahyeah, sodomite must die, yeahyeahyeah" aufgefallen war) am 14.05. im Zürcher Jugendkulturhaus "Dynamo", der - nach einer Presseerklärung des Vereines "Stop Murder Music" vom Club abgesagt wurde, findet nun wohl doch statt:

"Mavado, der angebliche «Homo-Hasser» und Reggae-Dancehall-Musiker aus Jamaika, wird nun am 14. Mai im «LG Club» in Zürich-Oerlikon auftreten. Dies, nachdem ihn die Betreiber des Jugendkulturhauses Dynamo in Zürich aus dem Programm gekippt hatten."
(Quelle: 20minuten)
Man richte das Augenmerk bitte auf das Wort "angebliche" - und schon kann man sich ein ungefähres Bild von der derzeit stattfindenden, sehr befremdlichen Diskussion machen. Der Veranstalter Haunted Productions erwägt nun übrigens eine Schadensersatzklage gegen das Dynamo wegen der kurzfristigen Absage (Quelle), der sogenannte "Szenekenner MC Lukee Lava" (Zitat: 20minuten) lamentiert sich um Kopf und Kragen, indem er die Absage in die Nähe von Rassismus stellt und jamaicanische Homophobie- und Gewaltorgien als "historisch bedingt" relativiert:
"Wenn ein deutscher Rapper ‚du Schwuchtel’ singt, passiert ja auch nichts." Zudem sei die teilweise homophobe Haltung der Jamaikaner historisch bedingt: In dem karibischen Staat ist Homosexualität gesetzlich verboten – Sex zwischen Männern wird mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Dass das Konzert nun verboten werde, bringe gar nichts: "Das grenzt an Rassismus und bringt die Reggae-Fans tatsächlich gegen die Homosexuellen auf", befürchtet der MC.
(Quelle)
Kein Reden natürlich davon, dass "Künstler" wie Sizzla, Bounty Killer, Buju Banton und eben Mavado durch ihre Texte massiv zur Gewalt gegen homosexuelle Menschen aufgerufen hatten, die auf Jamaica denn auch exzessiv in Kukluxklan-ähnlichen Menschenhetzjagden mündeten. Auftritte solcher Art in Europa sind im Übrigen absolut keine Seltenheit, erst im letzten Jahr trat unter anderem Bounty Killer in Zürich auf und auf dem Chiemsee Reggae Summer (einem der grössten Reggaefestivals weltweit) sind solche Acts auch jedes Jahr vertreten. In dem Kontext möchte ich Euch übrigens eine Stellungnahme des Pressesprechers des CRS nicht vorenthalten, die ich letztes Jahr, anlässlich einer Anfrage zum damals geplanten Auftritt von Sizzla und solch faschistoiden Tendenzen bekam:
Hallo,

Sizzla ist ein großartiger Reggae- und Dancehall-Artist, der überaus produktiv ist, der sehr viele vernünftige Dinge sagt und tut (wie etwa sein Yard für Ghetto-Kinder). Und auch manche Dinge, die eben nicht so vernünftig sind. Ihn jedoch darauf zu reduzieren, ist uns ein wenig zu einfach und daraus faschistoide Tendenzen auf dem CRS abzuleiten geht uns auch eindeutig zu weit. Wir haben in jedem Jahr über 40 Bands und 25 000 Besucher - da machst Du es Dir schon etwas leicht mit solchen Aussagen.

Wir finden Hetze gegen Homosexuelle auch nicht in Ordnung und haben uns, wie auch schon im Fall von Buju Banton vertraglich abgesichert, dass so etwas auf dem CRS nicht zu hören sein wird.

Im Anhang findest Du die allgemeine Ehrenerklärung, die ja auch Buju Banton, Capleton und Beenie Man unterschrieben haben.

Gruß Michael
mb.presse
CHIEMSEE REGGAE SUMMER
Jaja... nicht in Ordnung und auch nicht so vernünftig... süss.
So solle man also Hasstyraden gegen Homosexuelle oder andere Bevölkerungsgruppen (solange sie nicht auf der eigenen Veranstaltung geäussert werden) tolerieren, da man den Menschen als Ganzes betrachten solle.
Ohne hier alberne Vergleiche zu düstereren Kapiteln der deutschen Geschichte ziehen zu wollen, erinnert mich diese Argumentation schon sehr an Aussprüche wie "Im dritten Reich war auch nicht alles schlecht"...


Die genannte "Ehrenerklärung" (Der "Reggae Compassionate Act") fand übrigens auch zum aktuellen Fall im Tagesanzeiger Erwähnung, dort wurde er absurderweise als "eine Art Gütesiegel [sic!] für politisch korrekten Reggae" bezeichnet. Was grundsätzlich auch Unfug ist, scheint dieser Vertrag (trotz der sicherlich guten Absichten, die damit eigentlich einhergehen) doch leider viel zu oft nur dazu zu dienen, den betreffenden Künstlern einen kurzfristigen Maulkorb zu verpassen und VeranstalterInnen von solchen Konzerten somit auch rechtlich abzusichern. Sogenannter "politisch korrekter Reggae" wird damit jedenfalls nicht garantiert. Kurzer Auszug aus dem Wortlaut:
"[...]To this end we agree not to perform any music or lyrics that is directed towards anyone or anything, that may be called an incitement to kill anyone from any community, or goes against the laws of the country we are to perform."
(Kompletter Text zu entnehmen aus dem 2007 von Sizzla unterschriebenen Dokument - Download pdf)
Letztendlich bleibt es dann wohl doch leider wieder nur beim Konsumenten solcher Veranstaltungen, CDs und so weiter, Zivilcourage zu beweisen und laut zu werden - ansonsten wird so etwas wohl auch weiterhin toleriert.

Wer sich für ausgiebigere Informationen zum Thema Reggae, Dancehall und Homophobie interessiert, dem sei übrigens wärmstens ein schon etwas älterer Artikel vom Pantoffelpunk empfohlen: Bun Rastaman!*


1 Kommentare:

jörg hat gesagt…

Interessanter Artikel.Naja, es gibt unterschiedliche Leute mit ganz untersch. Gedanken.Ich selbst bin Heter, aber kein Homo-Hasser.Die sind auch Leute und haben Recht zum Leben...Danke.

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